Pop-up-Store für Analphabeten in Bremerhaven

Ein Tabu-Thema rückt in den Fokus

Trotz Schulpflicht gibt es allein in Bremerhaven schätzungsweise mehrere tausende Analphabeten. Betroffene sprechen nur selten offen über ihr Lese- und Schreibschwäche. Der Pop-up-Store der Fachstelle Alpha will das nun ändern.

Vier Tage im Fokus: Analphabetismus in Deutschland

Quelle: Alpha Mobil

Dem Analphabetismus den Kampf ansagen, das Thema in den Fokus rücken, enttabuisieren und Betroffenen helfen. Dies alles will die von Land und Bund geförderte Fachstelle Alpha mit ihrem Pop-up-Store in Bremerhaven erreichen.

Vier Tage lang können sich Betroffene dort kostenlos beraten lassen. Auch „Mitwisser“ wie Freunde und Familie sind herzlich willkommen im Alpha-Shop. "Es gibt immer ein mitwissendes Umfeld", sagt Sozialwissenschaftler Eike Bürkner. „Um durchs Leben zu kommen braucht man Unterstützer, zum Beispiele Freunde oder Familie. Anträge werden dann zu Hause ausgefüllt.“

Pop-up-Store soll Hemmschwelle abbauen

Quelle: Alpha Mobil

Zum Programm gehören Vorträge und Ausstellungen – alles gespickt mit kreativen Ansätzen (Stichwort Graffiti-Workshops). Einer, der auf der Gästeliste steht, ist Tim-Thilo Fellner. Früher selbst Analphabet schreibt er heute Kinderbücher. Zudem hat er den "Alfa-Selbsthilfe Dachverband" mitgegründet, dessen Schirmherr der Schriftsteller Sebastian Fitzek ist.

Der Pop-up-Store gibt einen Überblick über alle Angebote in Bremerhaven – von der Volkshochschule bis hin zum Projekt „Aufbruch – besser lesen und schreiben“. Angebote gibt es demnach einige. Doch nicht alle Analphabeten nutzen diese auch. Im Gegenteil: Laut Bürkner nutzt bundesweit lediglich ein Prozent der Betroffenen solche Lernangebote. Der Pop-up-Store soll das nun ändern. „Wir glauben, dass die Hemmschwelle in einen Laden zu gehen kleiner ist, als in eine offizielle Beratungsstelle“, so der 30-Jährige.

Betroffene berichten und machen Mut

Auch ehemals Betroffene berichten im Alpha-Shop von ihren Erfahrungen und machen anderen Mut. So wie der 60-Jährige Uwe Boldt. „Ich bin selbst Analphabet gewesen und habe mittlerweile Lesen und Schreiben gelernt“, erzählt der Hafenfacharbeiter aus Hamburg.

Er mache viel Öffentlichkeitsarbeit, um Leute zu erreichen, die noch nicht den Mut gefunden hätten, etwas zu ändern. In der Schule sei er von Jahr zu Jahr aus pädagogischen Gründen versetzt worden. „Heute frage ich mich: Wie konnte das gehen mit einer fünf in Deutsch?" Mittlerweile schult er Betriebsräte im Umgang mit Analphabetismus und unterstützt betroffene Kollegen. „Ich zeige ihnen, dass es keine Probleme gibt, nur Lösungen“, so Boldt. Dem ist nichts hinzuzufügen.

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